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„Wer weiter denkt, kauft näher ein“ – nach diesem Motto eröffnete 2007 der Dorfladen Gailenkirchen als Teil einer genossenschaftlichen Initiative. Der Dorfladen Gailenkirchen liegt wahrlich idyllisch. Der kleine Mühlbach fließt am alten Rathaus vorbei. Barrierefrei geht es über eine Brücke hinein. Idyllisch ist auch, wofür er seit zehn Jahren steht: Nach genossenschaftlichem Konzept bietet das Geschäft wohnortnah alles, was man zum Leben braucht. Es ersetzt als Vollsortimenter frühere dörfliche Strukturen, die es so nicht mehr gibt – egal ob Bäcker, Getränkemarkt, Metzger, Milchhäusle oder „Tante-Emma-Laden“. Kinderprogramm und Musik Am Platz davor ist jetzt der zehnte Geburtstag mit Verkostungen von Produkten lokaler Lieferanten, mit Kinderprogramm und Musik gefeiert worden. Das Wetter hätte für den Dorfladentag wärmer sein dürfen. Gegen Mittag sind wegen des Regens und trotz der verführerischen Düfte vom Grill, Käsestand und Kaffeeröster noch viele Bänke unter den Pavillons frei. Der Schuldige für das Wetter sei bereits ausgemacht, scherzt Vorstand Stephan Werner. Gerade als er „Wo gibt’s denn Wasser für den Kaffee?“ gefragt worden sei, habe es zu regnen begonnen. Die Lebensmittel und Backwaren in den Regalen, auch in Bioqualität, stammen vornehmlich von regionalen Anbietern. Selbst Drogerie-Artikel, Schreibwaren, Zeitschriften oder Getränke gibt es auf der etwa 100 Quadratmeter großen Fläche des Dorfladens. „Wenn Sie wollen, dass ihre Enkel bei uns ihr Taschengeld ausgeben, müssen Sie heute schon bei uns einkaufen“, erinnert Werner beim Grußwort an das Motto „wer weiter denkt, kauft näher ein“. Das Einkaufsverhalten im Dorfladen sei ein anderes als beim Discounter. Etwa 2600 Kassenbewegungen gebe es monatlich – bei wöchentlich 44 Stunden Öffnungszeit. Der Gewinn ist auf niedrigem Niveau. „Viele Kinder lassen hier ihr Taschengeld“, berichtet der Vorstand mit Blick zum Süßigkeitenregal und der Eistruhe. Dort überlegt ein kleiner Junge gerade vor Kaugummi-Zigaretten für 50 Cent. „Die Kinder üben hier in einer geschützten Umgebung fürs Leben“, schmunzelt er. Da sei es schon vorgekommen, dass fehlende Cent-Stücke durch Mitkunden gezahlt würden. 10 Jahre Dorfladen Gailenkirchen Der 62-Jährige ist seit Mai 2015 einer der sechs Vorstände der Dorfläden Gailenkirchen und Gottwollshausen. Aufsichtsrat und Vorstand arbeiten ehrenamtlich, viele Helfer unterstützen den laufenden Betrieb. „Die Euphorie hat etwas nachgelassen“, bedauert Werner mit Blick auf die Kundenfrequenz. 2017 kamen bisher monatlich 2640 Menschen im Schnitt zum Einkaufen. 2016 waren es noch 2769, 2015 sogar 2810. Aber allein der Fipronil-Skandal habe im August im Vergleich zum Vorjahr 19 Prozent mehr Absatz bei den Eiern gebracht. Bärbel Roll gehört seit zehn Jahren dem fünfköpfigen Gailenkirchener Verkaufsteam an. Dieses ist derzeit auf der Suche nach einer weiteren Teilzeitkraft, wie ein Aushang vor der Tür verrät. Innen sind die Wände in hellem Gelb gestrichen. Werbeplakate machen auf Sonderangebote aufmerksam. Mitunter bilden sich am Dorfladentag kleine Schlangen. Normalerweise genügt eine Kasse – doch an diesem Tag dürfte es eine mehr sein. „Ich fühl’ mich wie bei Aldi“, scherzt Bettina Möller gutgelaunt. „Gleich rufen wir die Kasse zwei aus.“ Sie trägt wie ihre Kolleginnen eine rote Schürze und kennt viele Kunden mit Namen. „Zwei Brezeln bitte“, bestellt eine Dame an der Kasse. „Oder wollen’s drei, die sind heute im Angebot“, wird ihr empfohlen. Eine Stofftasche von der Bäckerei Gräter, die Werbegabe zum Jubiläum, gibt es zum Einkauf gratis dazu. „Wie ein Brennglas“ „Ein Dorfladen ist wie ein Brennglas für viele Themen, die uns derzeit beschäftigen“, unterstreicht Erster Bürgermeister Peter Klink beim Festakt. Der Rückzug der Nahversorgung auf die Fläche, die Entwicklung von Dörfern zu Wohnstandorten oder der zunehmende Individualverkehr werfen Probleme besonders bei Älteren auf. „Aus der Mitte der Bürgerschaft selbst hat man hier bereits vor über zehn Jahren Antworten gefunden“, lobt Klink die genossenschaftliche Organisation. Ein Dorfladen sei ein Garant dafür, bei alltäglichen Besorgungen Mitbürger zu treffen, meint Ortsvorsteher Hartmut Pawlitzki. Er lobt die vielen Unterstützer der genossenschaftlichen Idee. „Es sind Leute, die anpacken.“ Einige Anteile der Genossenschaft halten auch Bundestagsabgeordnete Annette Sawade und ihr Mann. „Toll, dass es den Dorf- laden gibt“, freut sich die Wackershofenerin. „Wir kaufen gern hier ein.“ Info: Der Dorfladen Gailenkirchen hat von Montag bis Samstag, 7.30 bis 12.30 Uhr, sowie von Dienstag bis Freitag, 14.30 bis 18 Uhr, geöffnet. Text und Fotos von Maya Peters